Zwischenräume Liebe Schülerinnen und Schüler, Zwischenräume übersieht man gern, weil man ja eigentlich woanders hin will. Wer aber einmal genauer hinschaut und wahr- nimmt, was »dazwischen« ist – in Gebäu- den, im Freien oder auch (im übertra- genen Sinn) im eigenen Leben und Den - ken – , kann neue Perspektiven auf das »Gewohnte« und »Normale« gewinnen. – Dann können Zwischenräume zu Freiräu- men werden. Vielleicht betrachten Sie auch die Jahr- gangsstufe 11 als einen solchen Zwischen- raum, der zwischen der erfolgreich bewäl- tigten Mittelstufe und der Kursphase liegt, in der es dann ernst wird? Welche Chancen wird Ihnen diese Lebensphase bieten? Wie werden Sie sie gestalten? Wel- che Freiräume werden Sie für sich entde- cken? Wenn das eine war und das andere noch nicht ist, dann kann das eine sehr offene und kreative Zeit dazwischen wer- den – so wie hoffentlich dieses Jahr in Ih- rem Religionsunterricht. Im Einzelnen wird es in diesem Jahr um folgende Themen gehen: Das Eingangskapitel regt zum Nach- denken über die besondere Rolle von Zwischenräumen an – zum Beispiel im Rahmen von Architektur, in lebensge- schichtlichen Zusammenhängen, in Be zug auf Judentum, Christentum und Islam und für das Verständnis von Kunst, Bildung und Freiheit. Die Frage, wie sich Glaube und kriti- sches Denken zueinander verhalten, ob es z. B. einen Raum zwischen ihnen gibt, der einen fruchtbaren Austausch ermöglicht oder leer bleiben muss, hat in der Aufklärungszeit wichtige Zu- spitzungen erfahren. Den Herausfor- derungen, die sich bis heute daraus er- geben, gehen Sie nach und setzen sich damit auseinander, inwieweit man zum Beispiel Glaube und moderne Na- turwissenschaften konstruktiv aufein- ander beziehen kann (Lernbereich 11.1 »Glaube und Vernunft – alte und neue Herausforderungen«). Judentum, Christentum und Islam sind äußerst vielgestaltige, komplexe Phänomene, die man nicht einfach so miteinander vergleichen oder gar in eins setzen kann. Deshalb reflektieren Sie, warum es so schwierig ist, deren Verhältnis zueinander sachgerecht zu bestimmen und inwiefern es geboten ist, Vereinfachungen etwa im Blick auf mediale Darstellungen der drei Religio- nen entgegenzutreten. Sie diskutieren in diesem Zusammenhang mögliche Chancen und Grenzen eines interreli- giösen Austauschs (Lernbereich 11.4 »Zwischen Distanz und Nähe: Juden- tum, Christentum, Islam«). Die Bibel können Sie als Buch mit Zwi- schenräumen wahrnehmen; gerade das Fremde und Abständige an ihr kann (im Wortsinn) »inter-essant« sein, weil es dazu einlädt, die Leerstellen mit ei- genen Erfahrungen und Gestaltungen, Gegentexten und Weiterdichtungen zu füllen. Dies wird am Beispiel der Hiob- Dichtung demonstriert und auspro- biert, dem vielleicht »ketzerischsten« Buch der Bibel, das wie kaum ein ande- res die bildende Kunst, Dichtung, Theologie und Philosophie inspiriert hat (Lernbereich 11.3 »Sola scriptura!? – Zugänge zur Bibel«). Freiheit stellt nicht nur eines der gro- ßen Themen der Menschheit, sondern gerade auch eine wichtige Dimension des evangelischen Glaubens dar. Sie 4 voRwoRT