Wie geht es Gott?

von Alexander Grau

 

Wie geht es Gott?

Glaubt man den deutschen Klassikern, fühlt sich Gott vor allem einsam. Denn „freundlos, ohne Bruder, ohne Gleichen, keiner Göttin, keiner Irdschen Sohn“ herrscht der Christengott nach Schiller. Und für Goethe war schon am ersten Schöpfungstag „einsam Gott zu erstenmal“. Um sich zu aufzumuntern, erschuf er sich bekanntlich Morgenröte. Doch auch die tröstete Ihn auf Dauer nicht. Und gegen Einsamkeit ist sie ohnehin machtlos.
Also kam Er am sechsten Tag auf den verwegenen Gedanken, sich ein Gegenüber zu schaffen. Nun ist Gott ein Gott, also klug und schuf sich dieses Wesen in weiser Voraussicht ohne Erkenntnisvermögen. Doch etwas übermütig geworden, pflanzte er just in die Mitte des Gartens Eden einen Apfelbaum. Jeder macht mal Fehler, auch ein Gott. Der Rest ist Geschichte.
Bald sehnte Gott sich nach seiner Einsamkeit zurück, nach Ruhe und Frieden und dem Farbenspiel der Sonne. Aber da war nun dieser laute und lästige Mensch. Angewidert von Sex und Crime schickte der Allmächtige schließlich eine Sintflut, um all den Unrat hinweg zu spülen den der Mensch produziert hatte. Doch dann bekam Gott ein schlechtes Gewissen und ließ ein Paar dieser zweifelhaften Geschöpfe am Leben. Auch Götter werden aus Schaden nicht immer klug.
Zunehmend ratlos sandte Gott den Menschen schließlich sogar seinen eigenen Sohn als Verhaltenstherapeuten. Doch auch das nutzte wenig. Die Menschen hatten lediglich einen Grund mehr, sich gegenseitig umzubringen. Diesmal im Namen der Liebe. Immerhin das war neu.
Schließlich gab Gott auf. Man kann das verstehen. Heimatlos geworden schmissen sich die Menschen anderen Göttern an den Hals. Alles wurde noch schlimmer. Schließlich holte die Menschheit das Goldene Kalb aus der Rumpelkammer, um nunmehr ausschließlich dieses anzubeten. Und Gott sah, dass es gut war. Denn der Kult um das Goldene Kalb zähmte die Menschen. Sie wollten nicht länger opfern und noch weniger geopfert werden. Denn das Goldene Kalb schenkte Wohlstand und Spaß. Gott aber wunderte sich und resignierte. Und zog sich zurück in seine Einsamkeit, die sich nun gar nicht mehr trist und leer anfühlte, sondern tröstlich.
 

Alexander Grau, Jahrgang 1968, ist promovierter Philosoph und freier Journalist, u.a. für Cicero, FAZ und Spiegel. Bei Claudius  veröffentlichte er Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung (2017) sowie Politischer Kitsch. Eine deutsche Spezialität (2019).