Lexikon
Tindal, Matthew
(1653–1733) war als Deist Vertreter einer sog. natürlichen Religion in der Frühaufklärung in England. Er vertrat die Position, dass Gotteserkenntnis nur mit Blick in die Natur und auf Basis vernunftgeleiteten Denkens möglich ist. Dieses natürliche Gottesbild soll seiner Ansicht nach Probierstein für jede Offenbarungsreligion sein.
Tischendorf, Konstantin von
(*18. Januar 1815 in Lengenfeld (Vogtland), † 7. Dezember 1874 in Leipzig), evangelischer Theologe. Er entdeckte auf Reisen in Europa und im Orient viele alte Handschriften des Neuen Testaments, darunter im Katharinenkloster auf dem Sinai den »Codex Sinaiticus«, den er 1862 herausgab.
Tödt, Heinz Eduard
(*1918, †1991): deutscher Theologe. Im Zentrum von Tödts Denken steht die ethische Verantwortung des christlichen Glaubens. Bekanntheit erlangte v. a. seine »Theorie sittlicher Urteilsfindung«.
Tora
Tora bedeutet wörtlich Lehre, Wegweisung, Lebensorientierung. Der Begriff benennt im Judentum zunächst die fünf Bücher Mose, die schriftliche Tora. Darüber hinaus beschreibt er die nach biblischer Tradition von Gott am Berg Sinai geoffenbarte Gesetzesüberlieferung, die neben der »schriftlichen« auch die »mündliche« Tora (Mischna) umfasst. Schließlich steht der Begriff auch für die gesamte religionsgesetzliche Tradition. Juden betrachten das Gesetz der Tora nicht als Zwang, sondern als Lebenshilfe, als Geschenk Gottes, der sein Volk aus Ägypten befreit hat und der die Freiheit aller Menschen will.
Totalitarismus
nennt man eine diktatorische Herrschaftsform, die den Einzelnen uneingeschränkt zu beherrschen und ihn in seiner Gesamtheit zu vereinnahmen versucht. Sie gründet sich auf eine bestimmte Ideologie, der sich alle Mitglieder der Gesellschaft zu unterwerfen haben. Oppositionelle Kräfte werden systematisch ausgeschaltet. Ziel totalitärer Herrscher ist die uneingeschränkte Kontrolle aller gesellschaftlichen Bereiche einschließlich der Massenkommunikationsmittel.
Totengericht
meint die religiöse Vorstellung, dass jeder Mensch vor ein göttliches Gericht gestellt wird, das beurteilt, ob er ein gutes Leben geführt hat. Nach Ansicht vieler Religionen fällt das Totengericht über die einzelne Person mit dem Letzten Gericht am Ende der Welt zusammen.
Tragik
Nach Aristoteles ist ein Schicksal bzw. ein Ereignis »tragisch«, das Furcht, Erschütterung, Entsetzen und zugleich Mitgefühl hervorruft. Ein Geschehen wird dann als »tragisch« (und nicht etwa z. B. als traurig, unglücklich o. ä.) bezeichnet, wenn es ausweglos ist, wenn die betroffene Person bewusst leidet und wenn sie unvermeidbar, unverdient in Schuld gerät. Schon in der vorsokratischen griechischen Philosophie wird die Tragik der Existenz im puren Dasein des Menschen begründet, durch das er andere verdrängt.
transzendent
(lat.) jenseitig, die sinnlichen Erfahrungen sowie die Grenzen menschlicher Vernunft und menschlichen Bewusstseins übersteigend.
Trinitatiskreis
Am Sonntag nach Pfingsten, dem Trinitatisfest (Fest der Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit) ist das Gottesbild des Christentums Thema: Gott ist einer und zugleich drei Personen: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Mit dem Trinitatisfest beginnt der Trinitatiskreis. Die Sonntage nach Trinitatis (maximal 26) überspannen die Zeit des Sommers bis zum Ende des Kirchenjahres im Herbst.
Trisomie 21
ist die eher fachmedizinische Bezeichnung für das »Down-Syndrom«. Der Begriff bezieht sich auf die genetische Besonderheit, dass das Chromosom 21 bei Menschen mit Down-Syndrom dreifach vorhanden ist statt nur doppelt. Das Down-Syndrom hat eine körperliche und geistige Entwicklungsverzögerung zur Folge, die unterschiedlich ausfallen kann. Medizinischer Fortschritt und verbesserte Fördermöglichkeiten haben dazu geführt, dass Menschen mit Trisomie 21 heute in der Regel eine höhere Lebenserwartung haben als früher und auch ihre geistigen Fähigkeiten besser entwickeln können. Die veraltete Bezeichnung Mongoloismus (als Schimpfwort »Mongo«) wird aufgrund ihres abwertenden Gebrauchs und des ihr innewohnenden Rassismus heute abgelehnt.
Tschetschenienkonflikt
In diesem Krieg, bei dem es um die Unabhängigkeit der Kaukasusrepublik Tschetschenien von Russland geht, sind seit 1994 Zehntausende von Zivilisten, Soldaten und Rebellen getötet worden. Terroranschlägen von tschetschenischer Seite steht das Vorgehen der russischen Regierung, deren Menschenrechtsverletzungen in der ganzen Welt angeprangert werden, gegenüber. Seit 2009 wurden die Kämpfe offiziell für beendet erklärt; in Tschetschenien regiert eine moskautreue Führung.
Tugendhat, Ernst
(*1930) ist ein deutscher Philosoph.
Tunneleffekt
bezeichnet ein Phänomen der Quantenwelt, das dem Energieerhaltungssatz der klassischen Physik fundamental widerspricht und deutlich macht, dass die aus ihm folgenden Verbote nicht immer gültig sind: Auch wenn die Energie eines Quantenobjekts nicht ausreicht, um damit eine bestimmte Barriere überwinden zu können, kann dieses Objekt aufgrund der Nichtlokalität von Quanten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch jenseits dieser Barriere gefunden werden (so als ob es diese »getunnelt« hätte). Auf dem Tunneleffekt beruhen z. B. viele der radioaktiven Zerfälle von Atomen.
Turgot, Anne Robert Jacques
(1727–1781) war französischer Staatsmann, Ökonom und Schriftsteller in der Aufklärung. Er gehörte zu den Vertretern der Physiokratie, eine in Frankreich entstandene Sichtweise auf Wirtschaft, die von einem Naturrecht ausgeht und sich selbst reguliert.
Tutu, Desmond
* 1931 in Klerksdorp, Südafrika, ehemaliger anglikanischer Erzbischof; für seinen Einsatz gegen die Rassenpolitik in Südafrika erhielt er den Friedensnobelpreis; er setzt sich für soziale Gerechtigkeit und gegen Diskriminierung in der ganzen Welt ein.
Über-Ich
Sigmund Freud beschreibt drei Instanzen der Psyche: das Es (die Triebe), das Ich (die zwischen Es, Über-Ich und Außenwelt vermittelnde Instanz, das bewusste Denken, das Selbstbewusstsein) und das Über-Ich, das die aus der Außenwelt, v. a. über die Eltern, internalisierten Normen und Werte beinhaltet. Das Über-Ich kontrolliert die Triebe und wird oft mit dem »Gewissen« verglichen.
ultima ratio
(lat. ultimus: der Letzte, der Äußerste, ratio: Vernunft, Überlegung) bezeichnet das letzte, äußerste Mittel in einem Interessenskonflikt, wenn zuvor alle sonstigen Mittel ausgeschöpft oder verworfen wurden.
Umkehren, Buße tun
sind Übersetzungsversuche des griechischen metanoiein, was so viel heißt wie: umdenken, das Bewusstsein neu ausrichten, das Leben neu ausrichten. Umkehren muss man vor allem dann, wenn sich die Umstände verändert haben, also zum Beispiel: Wenn Abgase unsere Umwelt belasten, müssen wir in unserem Energieverbrauch umkehren. Jesus meint, dass Gottes Herrschaft nahe ist, deshalb ist es notwendig, Denken und Handeln neu auszurichten.
Umma
(arab.: Volk, Gemeinschaft) bezeichnet nach dem Sprachgebrauch des Korans die Weltgemeinschaft, zu der neben Muslimen auch Nichtmuslime und z. B. Tiere gehören. Das Wort wird aber auch für die religiöse Einzelgemeinschaft (Umma der Muslime oder der Christen) oder die Nationalität (Umma der Ägypter) verwendet.
UN-Behindertenrechtskonvention
Bei der UN-Generalversammlung 2006 wurde ein »Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung« verabschiedet, welches zwei Jahre später in Kraft trat. Dieser auch in Europa geltende völkerrechtliche Vertrag konkretisiert die allgemeinen Menschenrechte für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung.
UN-Kinderrechtskonvention
1989 haben die Vereinten Nationen das »Übereinkommen über die Rechte des Kindes«, kurz Kinderrechtskonvention, beschlossen. Der Kinderrechtskonvention haben sich fast alle Staaten der Erde angeschlossen. Sie schützt das Recht des Kindes auf Leben und Gesundheit, das Recht auf Entwicklung, das Verbot der Benachteiligung, das Recht auf Wahrung der Interessen der Kinder sowie das Recht auf Beteiligung und Mitbestimmung.
Unbestimmtheitsrelation
Die vom deutschen Physiker Werner Heisenberg (1901–1976) zunächst missverständlich als Unschärferelation bezeichnete Theorie beschreibt eine der fundamentalen Aussagen der Quantenmechanik: Es ist unmöglich, für zwei Größen in einem Quantenzustand gleichzeitig genaue Werte zu finden. Je genauer man eine Größe bestimmt, desto ungenauer wird notwendigerweise die andere. Damit wird eine grundlegende Voraussetzung der klassischen Physik widerlegt, nämlich dass einem Körper zu jeder Zeit ein bestimmter Ort und eine bestimmte Geschwindigkeit zugeschrieben werden können. Zudem ergibt sich aus ihr, dass diese Eigenschaften durch die Messanordnung überhaupt erst definiert werden, da sie vorher nur als Möglichkeiten angelegt sind. Somit hat auch jeder Ausgang einer Messung und der Beobachter selbst Einfluss auf nachfolgende Messungen und damit auf das Beobachtete.
Unterstützte Kommunikation
(UK) bietet Kindern, die nur begrenzt oder gar nicht über Lautsprache kommunizieren können, Kommunikationshilfen. Dazu gehören Formen der Körpersprache, Gebärden und Mimik sowie elektronische und nichtelektronische Kommunikationshilfen wie Tablets mit Sprachausgabe, Zeigetafeln.
Urgemeinde
Kurz nach den Ereignissen von Karfreitag und Ostern entstand in Jerusalem die erste christliche Gemeinde. Ihre Mitglieder waren zunächst nur Judenchristen, also Juden, die nach ihrem Selbstverständnis auch als Christen Juden blieben. Sie pflegten ein geregeltes Gemeindeleben mit gemeinsamen Mahlzeiten in den Häusern der Gemeindemitglieder, Lehrtätigkeit der Apostel, Brotbrechen und Gebet. Der Gottesdienst, der in der Synagoge stattfand, bestand aus Gebet, Schriftlesung und Lehre. Nach Apg 6,1 gab es später in der Urgemeinde sowohl eine aramäischsprechende (die »Hebräer«) als auch eine griechischsprechende (die »Hellenisten«) Gruppe. Konflikte zwischen Hebräern und Hellenisten über die Einhaltung des jüdischen Kultgesetzes führten zur Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem. Die historische Folge der Vertreibung der Hellenisten war die Ausbreitung des Christentums außerhalb von Judäa und Galiläa.
Urheberrecht
bezeichnet ein Schutzrecht, welches das geistige Eigentum eines Schöpfers (oder Urhebers) an seiner kreativen Leistung (z. B. Musik, Dichtung, Bilder) gewährleistet. Das Urheberrecht ermöglicht es dem Urheber, darüber zu entscheiden, auf welche Art er seine Werke nutzen und veröffentlichen möchte. Darüber hinaus bietet es ihm die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Verwertung seiner Leistung.
Utopie
(von griech. u-topos: Nicht- oder Nirgend-Ort). Das Wort bezeichnet also eine Welt, die es so nicht gibt, aber die man sich als eine bessere Welt vorstellen kann. Wenn man das Wort positiv gebraucht, betont man, dass es diese bessere Welt zwar noch nicht gibt, es aber einmal so werden könnte oder sollte. Verwendet man den Begriff abfällig, hält man die Vorstellung für vollkommen unrealistisch; also für eine Traumwelt, die es nie geben wird: ein »Nie-Ort«.
Västerås-Methode
Dabei handelt es sich um ein einfaches, vierschrittiges Verfahren, das dazu dient, die Lektüre eines Textes zu verlangsamen und in einer Gruppe darüber ins Gespräch zu kommen. Zunächst wird der Text laut gelesen, sodann in Einzelarbeit mit Symbolen versehen, z. B.: ? = verstehe ich nicht; ! = wichtig!; -> = berührt mich; + = freut mich. Bewährt haben sich ca. drei Symbole. Danach werden die Markierungen gemeinsam Satz für Satz besprochen, bevor der Text am Ende noch einmal laut gelesen wird.
Vater und Mutter ehren
Das 4. Gebot wird oft so verstanden, dass man seinen Eltern gehorchen müsse. Doch auch dieses Gebot dient dem Schutz der Schwachen: Es hat die alten Eltern im Blick, die nicht mehr selbstständig leben können. (Hebr. »ehren« heißt eigentlich: »schwer machen«, d. h. jemanden mit dem Lebensnotwendigen versorgen.) Es richtet sich an Familienmitglieder, aber auch an die Gesellschaft, die für die soziale Sicherung der alten Menschen verantwortlich ist. Der zweite Teil »auf dass dir’s wohlgehe« beschreibt weniger eine »Belohnung« für gutes Verhalten, als seine Folge: Schalom kann in Familie und Gesellschaft nur herrschen, wenn Alt und Jung, Starke und Schwache füreinander sorgen.
Verbalinspiration
Unter Verbalinspiration versteht man die Auffassung, dass die der jeweiligen Buchreligion zugrunde liegende Schrift Wort für Wort von Gott den Menschen geoffenbart wurde und aufgrund ihres göttlichen Ursprungs ohne Fehler ist. Diese Überzeugung hat Konsequenzen für die Auslegung der jeweiligen heiligen Schrift. Im Raum der evangelischen Theologie wurde in der lutherischen Orthodoxie nach Luthers Tod eine Lehre von der Verbalinspiration entwickelt, die sich v. a. gegen die katholische Sicht von der Verbindlichkeit auch der kirchlichen Tradition richtete. Die Verbalinspiration wurde seit der Aufklärung durch die historisch-kritische Forschung (S. 134 f) in Frage gestellt. Heutzutage wird sie in unterschiedlichen Ausprägungen vor allem von evangelikalen Protestanten und Mitgliedern christlicher Sondergemeinschaften, wie z. B. den Zeugen Jehovas, vertreten.