Lexikon

Horeb

oder auch Sinai heißt nach biblischer Überlieferung der Berg der Gottesbegegnung. Hier wurde Mose aus dem brennenden Dornbusch von Gott berufen; hier erhielt er von Gott die Zehn Gebote. Hier erlebte auch der Prophet Elia eine Gotteserscheinung (1 Kön 19). Heute wird dieser Berg mit dem Dschebel Musa (»Mosesberg«) in Ägypten identifiziert, an dessen Fuß das berühmte Katharinenkloster liegt.

Hosianna

Diesen in den Psalmen oft vorkommenden hebräischen Gebetsruf (»Hilf doch!«) rufen die Menschen Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem zu. Er hat auch Eingang in den christlichen Gottesdienst gefunden.

Hostienfrevel-Vorwurf

Um den Vorwurf des Gottesmordes zu belegen und als bewusstes und kollektives Verhalten von Juden hinzustellen, wurde im Mittelalter das Gerücht erfunden, Juden würden gemeinschaftlich Hostien-Oblaten stehlen, um sie anschließend zu foltern. Aufgrund der Auffassung, dass in den Hostien der Leib Christi anwesend ist, wurde zur Veranschaulichung solcher erfundener Darstellungen ergänzt, dass aus den Hostien heiliges Blut geströmt oder gar Christus als kleines Kind erschienen sei. Die Vorwürfe dienten als Vorwand für blutige Massaker an zahlreichen jüdischen Gemeinden.

Hotspot

(engl.: heiße Stelle, übertragen: Brennpunkt): Ein Hotspot ist ein Ort mit großer Anziehungskraft für Menschen. Manchmal zeichnet sich ein solcher Ort auch durch ein erhöhtes Konfliktpotential aus. Der Begriff Hotspot wird in verschiedenen Zusammenhängen verwendet. Auch Punkte mit öffentlichem drahtlosem Internetzugang nennt man Hotspots.

Huizinga, Johan

(1872–1945) war niederländischer Kulturhistoriker. In seinem bekanntesten Werk »Herbst des Mittelalters« befasst er sich mit Geistes- und Lebensformen im spätmittelalterlichen Europa. In seiner Arbeit »homo ludens« (1938) vertritt er eine Sichtweise vom Menschen, die das Tätigsein des Menschen mit dessen Spieltrieb begründet. Damit grenzt er sich von der philosophischen Anthropologie (Plessner, Gehlen) ab, die den Begriff des »homo faber« (der tätige, arbeitende Mensch) prägte.

Humboldt, Wilhelm von

(1767–1835) war preußischer Staatsmann und vielseitig gebildeter Schriftsteller und Gelehrter. Er prägte das sog. »Humboldt’sche Bildungsideal«, das umfassende Bildung für jeden Menschen als Voraussetzung für die Persönlichkeitsentwicklung ansieht. Orientierung und Grundlage sollte dafür der Humanismus der Antike bieten. Humboldt prägte damit nicht nur das Bildungswesen seiner Zeit, sondern setzte Impulse, die bis in die heutige Zeit reichen. Er reformierte das von Geistlichen dominierte Bildungswesen und etablierte staatlich ausgebildete Lehrer. Er konzipierte anhand der nach ihm benannten Humboldt-Universität zu Berlin eine immer noch aktuelle Vorstellung von Universität, die Professoren nicht nur als Forschende begriff, sondern zu ihrem genuinen Aufgabengebiet auch die Lehre zählte. Humboldts Bildungsgedanke einer umfassenden, allgemeinen Bildung, zu der möglichst viele Menschen freien Zugang haben sollen, spielt in Diskussionen zu Bildungsgerechtigkeit und lebenslangem Lernen eine immer noch entscheidende Rolle.

Hume, David

(1711–1767) war ein für die schottische Aufklärung wichtiger Philosoph und Historiker. Sein Denken wird dem philosophischen Empirismus zugeordnet, in dem die Erfahrung des Menschen und die kritische Prüfung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit als zentral für Wissensgewinn gesehen werden.

Hybris

(griech.): Übermut, Hochmut, Selbstüberschätzung; Hybris und darauffolgender Fall des Menschen ist ein häufiges Motiv der griechischen Tragödie.

Hymnus

(griech. hymnos: Tongefüge): ein Lobgesang oder Lobgedicht. Zahlreiche Psalmen und Kirchenlieder sind Hymnen. Heute kennt man den Ausdruck auch durch die Nationalhymne.

Ideenlehre

Platon unterschied die körperliche sinnlich-materielle Welt von der Welt der »Ideen«, die nicht mit den Sinnen wahrnehmbar ist. Der Begriff »Ideen« (griech. eidos / idea: das Gesehene) ist dabei nicht im Sinne von »Einfälle, Gedanken« zu verstehen (wie es alltagssprachlich üblich ist). Vielmehr bezeichnet Platon damit eigenständige Wesenheiten, die den sichtbaren Erscheinungen vor- und übergeordnet sind. So ist ein konkreter materieller Tisch nur eine vergängliche Erscheinungsform der unvergänglichen Idee des Tisches. Solche Ideen gibt es auch für immaterielle Phänomene. So spricht Platon z. B. von der Idee der Gerechtigkeit, der Tapferkeit, der Besonnenheit usw. Die höchste Idee ist die Idee des Guten. Nach Platons dualistischem Welt- und Menschenbild stammt die Seele aus dem Reich der Ideen und ist im Körper des Menschen gefangen. Doch obwohl der Mensch keinen unmittelbaren Zugang mehr zu den Ideen hat, kann er sich in seinem Denken daran erinnern und sich bemühen, sein Leben danach auszurichten. Die letzte Befreiung von den Fesseln des Leibes geschieht im Tod.

Ideologie

Dieser Begriff kann negativ oder neutral verwendet werden. Im negativen Sinn meint Ideologie ein einseitiges, verzerrendes und interessengeleitetes Weltbild, das die Wirklichkeit in ein simples Raster von gut / böse, richtig / falsch usw. einteilt (z. B. Faschismus, Kommunismus). Ideologiekritik zielt darauf ab, diese Verzerrungen und die dahinterstehenden Interessen offenzulegen. Im neutralen Sinn bezeichnet der Begriff die Gesamtheit von Überzeugungen, Normen und Zielen eines Individuums oder einer gesellschaftlichen Gruppe, also eine »Weltanschauung«.

Idol

bezeichnet zum einen eine Person, die sehr bewundert und umschwärmt wird – etwa einen Musik- oder Filmstar. Zum anderen kann Idol auch ein Götterbild oder einen anderen Kultgegenstand bezeichnen, der religiös verehrt wird. Der Begriff leitet sich ab von lat. idolum bzw. von griech. eidolon: Bild, Abbild, Trugbild.

Ikarus

symbolisiert einen Menschen, der »zu hoch hinaus will«. In der griechischen Mythologie ist er der Sohn des Dädalus. Um aus der Gefangenschaft auf Kreta zu entfliehen, konstruiert Dädalus aus Wachs und Federn Flügel für sich und seinen Sohn, die auch funktionieren. Doch während des Fluges wird Ikarus übermütig und fliegt – gegen das Verbot des Vaters – zu nah an die Sonne heran, so dass das Wachs seiner Flügel schmilzt und er ins Meer stürzt.

Ikone

(von griech. eikon: Ebenbild): Ikonen werden Bilder heiliger Personen genannt, die einerseits Kunstbilder sind, andererseits aber auch in den christlichen orthodoxen Kirchen eine wichtige Funktion für den Kultus haben. Über den angemessenen Umgang mit Ikonen wurde im byzantinischen Bilderstreit (8.-9. Jh.) gerungen: Demnach werden sie verehrt (nicht aber angebetet), weil die dargestellten Personen als anwesend vorgestellt werden. Es gibt eine eigene Bildsprache der Ikonen und Vorschriften für die Erstellung von Ikonen durch die Ikonenmaler (z. B. im Hinblick auf die Verwendung von Farben, von bestimmten Zeichen und Symbolen).

Imam

(arab. Führer oder Vorsteher) Für die Sunniten ist der Imam der Vorbeter beim Gebet in der Moschee. Bei den Schiiten wird damit eine gesellschaftliche, religiöse oder politische Führungsperson bezeichnet, die aus der direkten Nachkommenschaft von Muhammads Vetter Ali stammt.

Imperativ / Indikativ

Mit Bezug auf die reformatorische Grundeinsichten Luthers und seine Lehre von der Rechtfertigung kann gesagt werden: Der (Heils-)Indikativ steht vor dem (Heils-)Imperativ. Damit ist gemeint, dass der Mensch nicht deshalb vor Gott als »gerecht« gilt, weil er der Aufforderung nachkommt, bestimmte Gebote zu erfüllen (= Imperativ, von lat. imperare: befehlen), sondern weil er bereits vor allem Tun – durch Gottes Gnade – als gerecht gilt (= Indikativ, von lat. indicare: anzeigen). Gleichwohl erwächst aus der Rechtfertigung (Indikativ) die Bereitschaft zum Tun des Guten (Imperativ).

Imperialismus

(von lat. imperare: herrschen) bezeichnet das Bestreben eines Staates, seinen Macht- und Einflussbereich in territorial-politischer, wirtschaftlicher oder / und kultureller Hinsicht auf andere Länder auszudehnen. Dies kann bis zu deren Unterwerfung mit militärischen Mitteln und ihrer Eingliederung ins eigene Staatswesen führen. In der Regel gilt der Zeitraum zwischen 1870 und 1918 als das Zeitalter des Imperialismus, da hier die europäischen Großmächte, ermöglicht durch die industrielle Revolution, z. B. die Aufteilung Afrikas vorangetrieben haben.

in vitro

(lat.: im Glas): Findet eine Befruchtung nicht im lebenden Organismus (in vivo) statt, sondern außerhalb eines solchen, bezeichnet man sie als In-vitro-Fertilisation.

in vivo

(lat.: im Lebendigen): Bezeichnung für Befruchtungen, die im lebendigen Organismus stattfinden im Gegensatz zu sog. In-vitro-Fertilisationen.

Indiaca

ist eine Art Mischung aus Federball und Volleyball: ein Spielgerät, an dem Federn befestigt sind, wird mit der flachen Hand hin und her geschlagen.

Industrialisierung

oder Industrielle Revolution bezeichnet den Übergang von handwerklicher Arbeit (Manufaktur) zu Arbeits- und Produktionsweisen, die sich auf Maschinen stützen und dadurch eine Massenfertigung von Gütern ermöglichen. Diese von England ausgehenden Prozesse setzten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland durch und änderten die bisherige Gesellschaftsordnung grundlegend: Während Fabrikanten zu großem Reichtum kamen, fanden sich Arbeiter in der untersten Klasse der Gesellschaft, dem Proletariat, wieder. Armut wurde zu einem Massenphänomen, sichtbar vor allem in Großstädten wie Berlin.

Initiation

ist die Einführung eines Anwärters oder einer Anwärterin in eine Gemeinschaft oder in einen neuen Lebensstand, oftmals in Verbindung mit einem Übergang von einer Lebensphase in eine andere. Sie wird in Form eines festgelegten Ritus (zeremonielle Handlung mit fest vorgegebener Ordnung) vollzogen. Christliche Initiationsriten sind beispielsweise Taufe und Konfirmation. Es gibt auch nicht-religiöse Initiationsriten, z. B. Mutproben für die Aufnahme in eine Jugendbande.

Inklusion

Während dem Begriff »Integration« eher die Vorstellung zugrundeliegt, dass Menschen, die »am Rande« stehen, in die Mitte der Gesellschaft hineinzunehmen seien, betont der Begriff »Inklusion« das Recht von jedem Menschen, von vornherein möglichst autonom auf allen Ebenen am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Im Bereich der Bildung bedeutet Inklusion, dass alle Menschen in gleicher Weise die Möglichkeit haben, eine qualitativ hochwertige Bildung zu bekommen – unabhängig von sozialem Status, Geschlecht, individuellen Lernvoraussetzungen etc. Ein Kernbegriff der inklusiven Pädagogik stellt die »Heterogenität« dar; er bringt zum Ausdruck, dass Unterschiedlichkeit wertzuschätzen ist und nicht Anlass dafür sein darf, Hierarchieordnungen aufzustellen.

Inklusivismus

bezeichnet ein Modell, das besonders prominent vom katholischen Theologen Karl Rahner (1904–1984) vertreten wurde. Es hält an dem  exklusiven Wahrheitsanspruch der christlichen Religion fest, bietet aber eine denkerische Möglichkeit, nicht automatisch alle Menschen, die keine Christen sind (z. B. weil sie noch nie etwas von Christus gehört haben), für von Gott verworfen zu halten. Nach Ansicht Rahners könne auch ein Mensch einer anderen Religion Gott ansatzweise erkennen, z. T. aus eigenen, allen Menschen gegebenen Möglichkeiten der vernünftigen Erkenntnis Gottes (»natürliche Gotteserkenntnis«), andererseits aber auch aus Gnade, die durch Christus von Gott komme. Solche Menschen, die »von der Gnade und Wahrheit Gottes berührt« werden, können nach Rahner als »anonyme Christen« bezeichnet werden, auch wenn sie sich selbst nicht als Christen verstehen. Der Inklusivismus wurde und wird nicht nur von katholischen Theologen vertreten, auch offizielle Äußerungen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche gehen in diese Richtung.

Innere Mission

Auf Initiative von Johann Hinrich Wichern wurde beschlossen, die diakonische Arbeit in Deutschland zu koordinieren. Dies geschah 1849 mit der Gründung des »Central-Ausschuss für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche«.

Inschallah

(arab.) bedeutet: »So Gott will«; Muslime drücken damit die Unverfügbarkeit der Zukunft und das Vertrauen in den göttlichen Willen aus.

intakte / zerstörte Kirche

Die Unterscheidung der evangelischen Landeskirchen in »intakt« und »zerstört« wurde von Vertretern der Bekennenden Kirche zur Zeit des Kirchenkampfes verwendet. Als »intakt« wurden diejenigen evangelischen Landeskirchen bezeichnet, deren Kirchenleitung nicht mehrheitlich von Deutschen Christen besetzt worden war. Dazu zählten die Landeskirchen Württembergs, Bayerns und Hannovers. »Zerstörte« Landeskirchen waren demgegenüber jene, in deren Kirchenleitung sich mehrheitlich Vertreter der Deutschen Christen befanden.

Interaktion

(lat. inter: zwischen und agere: tun): Mit diesem Begriff bezeichnet man v. a. in der Psychologie ein aufeinander bezogenes Handeln, ein Aufeinander-Einwirken von einzelnen Personen, aber auch von Gruppen oder Systemen.

Interimsethik

meint nach Albert Schweitzer die vor allem in der Bergpredigt sichtbar werdende Ethik Jesu, die den Charakter des Vorläufigen (lat. interim: inzwischen, unterdessen) besitzt. Die Forderungen der Bergpredigt sind nach diesem Deutungsansatz in der Gewissheit formuliert, dass das Ende dieser Welt bevorsteht und die Gottesherrschaft naht. Nur für diese Zwischenzeit bis zur vollkommenen Verwirklichung des Reiches Gottes, für diesen Ausnahmezustand, der zu einer außerordentlichen Anstrengung befähigt, seien Jesu Weisungen gedacht.